Luzian Gryczan wird am 05.10.1955 in Szczytno (Masuren) geboren. Der Vater, in Westfalen geboren, ist Installateur und Heizungsmonteur. Die Mutter, in Ostpreußen geboren, ist Hausfrau. Er verbringt seine Kindheit (12 Jahre) in Polen, wo er die polnische Schule besucht. Dort wächst er (mit 6 Geschwistern) aufgrund des behördlichen Drucks auf die Eltern, ohne Deutschkenntnisse auf. Von Büchern besessen, seit er die ersten Worte lesen kann, beginnt er im Alter von 10 Jahren Romane zu entwerfen, zeichnet und gestaltet Schiffe und Fluggeräte, deren Formen sich in seinen Bildern bis heute erhalten haben. 1967 zieht die ganze Familie nach Perleberg (Prignitz) in die DDR, da mehrmalige Versuche des Vaters, nach Westfalen zurückzukehren, durch die polnischen Behörden abgewiesen werden. In Perleberg lernt er schnell die deutsche Sprache, um weiter lesen zu können. Er malt und schreibt wie besessen, um seinen Traum, ein Künstler zu werden, zu verwirklichen.
Er weigert sich politischer Mitläufer zu werden, gerät so in ernst Schwierigkeiten, die ihn nach einer öffentlichen Plakataktion, in der er zur Rebellion gegen den Spießersozialismus für einen echten Kommunismus aufruft, für 18 Monate ins Gefängnis bringt. Mit 19 Jahren (1974) aus dem Gefängnis entlassen, wird er gezwungen eine Lehre als Gas-und Wasserinstallateur zu beginnen. Er bereitet sich vor, ein Kunststudium zu beginnen und besucht Kurse für Malerei. Seine erste Bewerbung an der Kunsthochschule Berlin- Weißensee misslingt. Eine Hautkrankheit beendet die Ausbildung zum Installateur und er verlässt Perleberg (unter staatlichen Auflagen) und zieht zu seiner künftigen Frau, Rita Dreger, die als Lehrerin arbeitet. Seine schwierige soziale Lage als Künstler führt zum häufigen Berufswechsel. Er arbeitet als Hilfspfleger in der Psychiatrie, als Kulturmanager, Nachtwächter, Lederzuschneider, Theatermaler, zuletzt als selbstständiger Restaurator. Dank der Hilfe seiner Frau, mit der er einen gemeinsamen Sohn hat (Jan Panajotis), kann er seine autodidaktischen Studien der Kunst und Literatur konzentriert fortsetzen.
Seit 1977 lebt die Familie in der Nähe Stralsunds, in dem Dorf Prohn an der Ostsee. Dort hat er Verbindung zu der Stralsunder Künstlerszene, wo er den Maler Wolfgang Weber und den Graphiker Axel Krüger kennenlernt. Der letztere wird für ihn kurzzeitig zum Mentor und löst einen künstlerischen Schock aus, der bis zum heutigen Tag nachwirkt, weil er ihm geistig zum Anschluss an die wichtigsten Tendenzen der Gegenwartskunst verhilft. Axel Krüger, der ein Schüler Günther Horlbecks in der Kunstakademie Dresden war, stirbt durch die eigene Hand nach ca. 8 Monaten der Bekanntschaft. In einem Raum der Jacobikirche in Stralsund schafft L.G. die ersten selbstständigen Werke, die formal und inhaltlich schon die wesentlichen Grundlagen bilden für das spätere Werk, welches passioniert am Elementaren und Existenziellen der menschlichen Existenz orientiert ist. In dieser Zeit wählt L.G. sein Pseudonym Konrad Bohara als Versuch, einen nicht “aktenkundigen” Namen zu haben – besonders für seine literarische Arbeit spielt dieser – und andere Namen – bis heute eine Rolle.
Aufgrund seiner Weigerung, sich dem politischen System unterzuordnen, trägt er sich mit dem Gedanken das Land Richtung Westen zu verlassen. Das führt zu Sanktionen des Staates und so wird er gezwungen mit 25 Jahren als “Bausoldat” in Prora seinen Wehrdienst zu leisten. Ein Kontakt zu seinem Cousin in Dortmund wird ihm zum Verhängnis, als der ins Vertrauen gezogene Rechtsanwalt seine Frau und ihn an die Staatssicherheit verrät. Nach 12 Monaten Wehrdienst unter erniedrigenden Umständen werden beide, seine Frau und er verhaftet und in die Stasi-U-Haft nach Rostock gerbracht. (Der Sohn darf glücklicherweise bei der Schwiegermutter bleiben.) Ein Militärgericht verurteilt seine Frau zu 17 und ihn zu 24 Monaten Gefängnis, die er im Zuchthaus Brandenburg verbringen soll. Nach ca 14 Monaten Gefangenschaft gelingt es dem Cousin beide im sogen. “Freikaufverfahren” in den Westen, in die BRD zu befreien.
In Kerkrade (Niederlande), nahe bei Aachen bilden sie eine Arbeits- und Wohngemeinschaftmit dem Künstler Roland B., wo ein umfassendes Aktions-Kunstprojekt entworfen wird, an dem L.G. bis heute weiterarbeitet. Nach dem Ende der Künstlergemeinschaft entwickelt und erneuert er dieses Projekt zunächst allein. Mit dem Philosophen Wolfgang Zumdick und dem Architekten Winfried Adams führt er die Idee einer Kunstaktion unter dem Titel “raum-block soziale Skulptur” aus, in welcher seine Ideen sich mit den von Joseph Beuys angeregten Kunsterweiterungs-Ideen und Vorhaben verbinden. Eine erste Aktion dieser Künstler- und Ideengemeinschaft findet 1989 unter dem Titel “Übergabe der Erde an sich selbst” statt – in der neuen Galerie Ludwig und im Stadtraum in Aachen. Etwa 7 Jahre lang finden jede Woche die “Montagsgespräche” statt, in welchen die Besucher mit den provokanten und subversiv eingestellten poetischen Ideen der Kunstaktion konfrontiert werden. Hauptanliegen ist es, knapp formuliert, ein gänzlich erneuertes Verhältnis der Menschen zum Leben auf der Erde anzuregen, in welchem die Erd-Natur und die Natur der Menschen aus der Perspektive der nicht-menschlichen Welten poetisch und von der Kunst her neu gesehen und gedeutet werden, um von dieser gänzlich umgekehrten Warte aus das Leben kunstgemäß zu erneuern (“Eintritt in das Kunstwerk”). 1990 findet in Ostende die Aktion “Schließung der Meere” statt. Sie wird in einem Doppelkatalog der IGBK, in Zusammenarbeit mit der UNESCO, veröffentlicht, wo mehrere Kunstprojekte in Deutschland und in Europa unter dem Titel “ERDE ZEICHEN ERDE” vorgestellt werden. Von 1990 bis 1993 arbeitet die Kunstgemeinschaft an verschiedenen Konzepten weiter. Unter anderem an der Idee eines “Schlittenzugs” um die Erde, Richtung Sonnenaufgang (der schwarze Schlitten; auch “Sonnenschlitten” genannt, eine “kinetische Metapher”, die die “Einkehr in das Kunstwerk – Erde” abbildet); vor der tatsächlichen, konsequenten Verwirklichung dieses Schlittenzuges wird die Zusammenarbeit der Künstlergruppe unterbrochen. Vor allem der Prioritätenwechsel in der Öffentlichkeit nach dem Mauerfall und die weltweite Hinwendung zum Neoliberalismus setzt alle Hoffnung auf eine umweltbewusste und dem Leben der Erde zugewandte (poetisch orientierte) Einkehr ein Ende. Ein letzter öffentlicher Auftritt der Kunstaktion, unter dem Titel “Erdenmacher .7. Lichtwerk” im “Forum Ludwig in Aachen”, zeigt zu deutlich die Vergeblichkeit solcher Bemühungen und hätte höchstens zu kommerziell nutzbaren Kunstszenebezügen führen können, was L.G. bewusst ausschlug.
Seit 1994 führt der Künstler einen konsequenten Bruch mit allen sozio-kulturellen Beziehungen durch und zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück. Er verlässt Deutschland zunächst für ein Jahr und lebt in Verviers ( Belgien) um sich dann in ein Kloster bei Wittstock (in Brandenburg) zurückzuziehen, wo er sich wieder mit seiner Familie vereint. In dem Kloster-Stift Heiligengrabe bezieht er eine Werkstatt, in welcher er 8 Gedichtbücher, das Projekt eines Epos, 2 Romanentwürfe und sein Werk als Maler und Zeichner fortsetzt. Die Arbeit an den grundsätzlichen Themen des “Erdenmacher”-Konzepts mündet in eine substanziell gesteigerte Wandlung dieses Ideenkomplexes unter dem Titel “kallilu .777. kunftzu”. Sie wird philosophisch, poetisch und künstlerisch erweitert und der gegenwärtigen Lage der Erdenwirklichkeit angemessen fortentwickelt.
Seit 2007 ist L.G. wohnhaft in der Stadt Wittstock und hat seine selbstgewählte Isolation aufgegeben, um seine Kunst einem neuen Bewußtsein zur Verfügung zu stellen, welches von der Bedrohung des Lebens durch die industrielle Zivilisation überzeugt ist und Wege aus dieser, alle Denkhorizonte in Frage stellenden, existenziellen Krise sucht. (Dazu zählt er die Umweltbewegungen aller Art, vor allem aber das Erwachen eines neuen Denkens, das sich z.B. in Erscheinungen zeigt, wie sie durch Greta Thunberg repräsentiert werden.) Im “Kunsthaus Dosse Park” in Wittstock hat L.G. seit 2013 die Möglichkeit bekommen, seine großflächigen Öl-Malereien und sein zeichnerisches Werk fortzusetzen. Auch die komplexe Arbeit an der poetologischen und praktischen Umsetzung des “Kallilu”- Konzepts kann hier fortgesetzt werden, idealerweise bald im öffentlichen Raum.
Luzian Gryczan ist Gründungsmitglied und stellvertretender Vorsitzender der von Andreas Neufert ins Leben gerufenen Wolfgang Paalen Gesellschaft. Auf dem Gelände des “Dosse Parks” hat L.G. inzwischen an 4 Ausstellungen teilgenommen und bereitet unter dem Titel “kleyne hauptstatt” Gesprächsabende (“wortetreffen”) und Lesungen vor.